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Bewegender und vielschichtiger Literaturabend mit Anregungen zum Nachdenken und Weitersagen!

Corona in Buchenwald von Ivan Ivanji – lesenswerte Bücher am 15. November


2021 – Auf Tutorenfahrt in die Kulturstadt Weimar werden Schülerinnen eines Abiturjahrganges in der Auslage einer Buchhandlung mitten in der historisch bemerkenswerten Stadt auf ein außergewöhnliches Buch aufmerksam: Corona in Buchenwald. Was hat die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald mit Corona zu tun? Gab es das Virus damals schon? Lehrer und Schülerinnen gehen dem nach und verbinden einen Aufenthalt in der Gendenkstätte mit der Frage nach den Buchinhalten. So erzählt es Dr. Hans-Jürgen Blanke, damals begleitender Lehrer heute Referent im ResonanzRaum zum entdeckten Buch von Ivan Ivanji: Corona in Buchenwald.

Ivan Ivanji, 1929 als Sohn einer jüdischen Ärztefamilie im Banat geboren und in der NS-Zeit in die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald deportiert, war u.a. Lehrer, Journalist, Lektor, Theaterdirektor, Diplomat und Dolmetscher (etwa von Tito) und lebt heute in Wien und in Belgrad.

Über eine Präsentation von Bildern, geschichtlichen Hintergründen, Texten und einem Interview mit dem 93jährigen Autor sowie ausgewählten Lesestellen des Buches macht Dr. Blanke die Zuhörer mit dem Ort des Geschehens und den Protagonisten des Buches im April des Jahres 2020 bekannt und zieht sie in den Bann eines bewegenden Panoptikums von Schicksalen.

Es sind zwölf ehemalige Buchenwald-Insassen aus aller Welt, die zum 75. Jahrestag der Befreiung kamen, aber wegen Corona gibt es keine Gedenkfeier. Einer von ihnen ist infiziert, alle müssen deshalb ins Weimarer Hotel Elephant in Quarantäne. Inspiriert von Boccaccios Decamerone vertreiben sie sich die Zeit mit Geschichtenerzählen. Über Videokonferenz erzählt jeder, was er loswerden will. Das sind nicht allein KZ-Erinnerungen, Sie sind eine Mischung aus Augenzeugenberichten aus dem KZ, Anekdoten des späteren Lebens und Episoden aus den Lieblingsthemen des Autors, der römischen und der biblischen Geschichte. So begegnet man dem verbannten römischen Dichter Ovid und dem großen Spanier Jorge Semprun, aber auch Boxkämpfern und Bordellbesuchern im KZ. Auch über Goethes Geliebte wird geredet.

Im Großen und Ganzen ist Corona in Buchenwald ein Friedensbuch, so wie es im Schwur von Buchenwald heißt: „Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Schlusswort eines der ehemaligen Buchenwaldinsassen beim doch noch stattfindenden Besuch der Gedenkstätte: „Ich bitte alle, die mich hören, inständig, schenken Sie Ihre Empathie denjenigen, die heute verfolgt werden. Sagen Sie nicht, das sind andere Umstände, andere Lager, andere Gründe, unlogische, unrealistische, suchen Sie keine Begründungen zur Seite zu schauen, mit den Achseln zu zucken, das Leid nicht zur Kenntnis zu nehmen. Es lebe das Leben!“ … Die Stille, die nun eintrat, war sehr laut.

Ivanji wirbt um Sympathie und Mitgefühl. Er warnt vor einem um sich greifenden Antisemitismus und den Neonazi-Bewegungen, betrachtet jeden Menschen als schützenswert, Roma, Sinti, Palästinenser, Flüchtlinge …, er fürchtet um die Idee der parlamentarischen Demokratie, und er fürchtet sich vor Tagen, in denen es „keine unmittelbare Erinnerung, kein direktes Zeugnis, kein lebendiges Gedächtnis“ mehr geben wird.

Ein sehr aufschlussreicher, vielschichtiger Abend mit Anregungen zum Nachdenken und Weitersagen!

Die einhellige Meinung der Besucher: das spricht für eine Fortsetzung im kommenden Jahresprogramm des ResonanzRaums Kloster.

Dr. Blanke macht die Zuhörer mit dem Ort des Geschehens und den Protagonisten des Buches bekannt