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Was uns Ostern lehren kann

Liebe Freunde und Bekannte
unserer Gemeinschaft,


Mutter Maria Katharina hat nie einen eigenen Osterbrief geschrieben. Sie hat aber jedes Jahr zur Fastenzeit einen Brief geschrieben, der oft mit einem Gruß zum kommenden Osterfest endete. Auf keinen Fall möchte ich es versäumen, Ihnen noch einen Gruß zu Ostern zu schicken.

Mit Katharina rufe ich Ihnen zu: „Ich komme mit einem kleinen Briefchen, um Ihnen … ein gesegnetes Osterfest zu wünschen, nachdem wir das Leiden Jesu recht gut betrachtet und in Liebe und Dankbarkeit nachgeahmt und getragen und geopfert haben die kleinen Opfer und Mühseligkeiten dieses Lebens, was uns ja tagtäglich begegnet.“ (Brief 211)

Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres als das, was Jesus erleben musste: dass er von einem Freund verraten und zum Tode ausgeliefert wurde, und das mit einem Zeichen der Liebe. Ganz sicher hätte Jesus Judas die Vergebung zugesprochen, wenn er die Chance dazu gehabt hätte.
Judas hat sich ja das Leben genommen.

In Vézelay, einem Ort in Burgund, findet sich in der dortigen Kathedrale Sainte Marie-Madeleine (12. Jahrhundert) ein Säulenkapitell mit einer Darstellung, die einzigartig und beeindruckend ist. „Judas und der gute Hirt“ könnte das Bild heißen. Jesus trägt den toten – erhängten – Judas auf seinen Schultern weg. Gibt es ein schöneres Zeichen der Vergebung?

Es wird sicher kaum einen Tag geben, an dem wir nicht auf irgendeine Weise verletzt werden. Ich glaube, das hat auch viel mit meiner Einstellung zu tun: Lasse ich mich verletzen? Muss ich jedes Wort auf die Goldwaage legen? Muss ich jede Äußerung als Kritik auffassen? Was verliere ich, wenn ich nicht auf meiner Meinung beharre? Was gewinne ich, wenn ich offen und gelassen bin und das Gute suche in den Aussagen der anderen?

Jesu Wort: „Bei euch soll es nicht so sein.“ kommt mir da immer in den Sinn. Das sagt er zu seinen Jüngerinnen und Jüngern. Wieviel mehr meint er uns alle damit, die wir an ihn glauben. Jesus sucht auch das schwarze Schaf – nicht nur das verlorene – und bringt es nach Hause. Müssen wir das dann nicht auch tun? Vielleicht bin ich ja auch das schwarze Schaf und hoffe auf Vergebung?

An Ostern feiern wir unsere Erlösung durch Tod und Auferstehung Jesu Christi. Können wir als Erlöste leben, wenn in uns ein Zorn auf den Mitmenschen lebendig ist? Friede, Freiheit ist nur möglich, wenn ich vergeben kann.

Wir wünschen Ihnen, dass es Ihnen am Osterfest möglich wird, freudig und frei das Oster-Halleluja zu singen und Versöhnung mit dem Menschen herzustellen, mit dem Sie vielleicht noch nicht wirklich versöhnt sind. Niemand verliert irgendetwas, alle aber gewinnen durch diesen Schritt. Und es wird wahrhaft Ostern.

Mit meinen Rätinnen wünsche ich Ihnen ein frohes und gesegnetes Osterfest.

Ihre
Sr. M. Theresia Winkelhöfer ADJC

„Denn höher vermag sich niemand zu heben, als wenn er vergibt.“

(Johann Wolfgang von Goethe)