Inspirationen für den Alltag

Lassen Sie sich inspirieren von Gedichten, Texten und Gebeten namhafter und unbekannter Dichter und Denker.

Diese Seite wird immer wieder aktualisiert. Schauen Sie öfter mal vorbei.

magnolien_knospenFreude soll nimmer schweigen.
Freude soll offen sich zeigen.
Freude soll lachen, glänzen und singen.
Freude soll danken ein Leben lang.
Freude soll dir die Seele durchschauern.
Freude soll weiterschwingen.
Freude soll dauern
Ein Leben lang.

(Joachim Ringelnatz  – Gedichte; Hans Sachs-Verlag Schmidt-Bertsch & Haist, München, Leipzig, 1910)

Ich freu mich, daß am Himmel Wolken ziehen
Und daß es regnet, hagelt, friert und schneit.
Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit,
Wenn Heckenrosen und Holunder blühen. –
Daß Amseln flöten und daß Immen summen,
Daß Mücken stechen und daß Brummer brummen.
Daß rote Luftballons ins Blaue steigen.
Daß Spatzen schwatzen. Und daß Fische schweigen.

Ich freu mich, daß der Mond am Himmel steht
Und daß die Sonne täglich neu aufgeht.
Daß Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
Gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter,
Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
Man kann nicht alles mit dem Kopf verstehn!
Ich freue mich. Das ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem, daß ich bin.

In mir ist alles aufgeräumt und heiter:
Die Diele blitzt. Das Feuer ist geschürt.
An solchem Tag erklettert man die Leiter,
Die von der Erde in den Himmel führt.
Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
– Weil er sich selber liebt – den Nächsten lieben.
Ich freue mich, daß ich mich an das Schöne
Und an das Wunder niemals ganz gewöhne.
Daß alles so erstaunlich bleibt, und neu!
Ich freu mich, daß ich . . . Daß ich mich freu.

(Mascha Kaléko • aus: In meinen Träumen läutet es Sturm.)

Man nehme 12 Monate,
putze sie ganz sauber von Bitterkeit, Geiz, Pedanterie und Angst,
und zerlege jeden Monat in 30 oder 31 Teile,
so dass der Vorrat genau für ein Jahr reicht.

Es wird ein jeder Tag einzeln angerichtet
aus einem Teil Arbeit und zwei Teilen Frohsinn und Humor.
Man füge drei gehäufte Esslöffel Optimismus hinzu,
einen Teelöffel Toleranz, ein Körnchen Ironie und eine Prise Takt.

Dann wird das Ganze sehr reichlich mit Liebe übergossen.
Das fertige Gericht schmücke man
mit einem Sträußchen kleiner Aufmerksamkeiten
und serviere es täglich mit Heiterkeit!

(Katharina Elisabeth Goethe, Mutter von Johann Wolfgang von Goethe) 

Hoffnung ist nicht dasselbe wie die Freude darüber,
dass sich die Dinge gut entwickeln.
Sie ist auch nicht die Bereitschaft, in Unternehmen zu investieren,
deren Erfolg in naher Zukunft absehbar ist.

Hoffnung ist vielmehr die Fähigkeit,
für das Gelingen einer Sache zu arbeiten.
Hoffnung ist auch nicht dasselbe wie Optimismus.
Sie ist nicht die Überzeugung, dass etwas klappen wird,
sondern die Gewissheit, dass etwas seinen guten Sinn hat –
egal, wie es am Ende ausgehen wird.

Diese Hoffnung alleine ist es,
die uns die Kraft gibt zu leben und immer wieder neues zu wagen,
selbst unter Bedingungen, die uns vollkommen hoffnungslos erscheinen.

Das Leben ist viel zu kostbar,
als dass wir es entwerten dürften, indem wir es leer und hohl,
ohne Sinn, ohne Liebe und letztlich ohne Hoffnung verstreichen lassen.

(Vaclav Havel)

 

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht:
bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

(Rainer Maria Rilke: Das Stunden-Buch)

Herr! schicke, was du willt,
Ein Liebes oder Leides;
Ich bin vergnügt, daß Beides
Aus Deinen Händen quillt.

Wollest mit Freuden
Und wollest mit Leiden
Mich nicht überschütten!
Doch in der Mitten
Liegt holdes Bescheiden.

(Eduard Mörike: Gedichte, Ausgabe 1867)

Jeder Tag der erste –
Jeder Tag ein Leben.

Jeden Morgen soll die Schale unseres Lebens
hingehalten werden,

um aufzunehmen,
zu tragen
und zurückzugeben.

Leer hinhalten,
denn was vorher war,
soll sich nur spiegeln
in ihrer Klarheit, ihrer Form, ihrer Weite.

(Dag Hammarskjöld – Zeichen am Weg; Verlag Pattloch, München; 2001)

(Bild von der Montabaurer Höhe vom Köppelturm aus mit Blick auf die Alarmstange. Der rechte Teil ist 2017 aufgenommen worden, der linke Teil 2020.)

 

Millionen Schornsteine rauchen,
Kondensstreifen pflügen die Bläue,
Warmduscher Warmwasser brauchen
Und eine Menschheit ohne Reue.

Autos und Schiffe qualmen,
Die Erde wird immer wärmer,
Während wir die Ressourcen zermalmen,
Verstören die Arten, Nachtschwärmer.

Haben wir noch nicht begriffen,
Dass unsere Natur verschwindet,
Wenn wir nicht den Nutzen umschiffen
Und des Lebens Ende sich kündet?

Hans Hartmut Karg (2019)

 

Wir alle kennen die (Fernseh-)Bilder: schmelzende Polkappen, schwindende Gletscher, wasserarme Flüsse und versiegte Bäche, ausgedörrte Felder, abgeholzte Regenwälder, gleichzeitig steigende Meeresspiegel, auftauende Permafrostböden, wo­durch landwirtschaftliche Nutzflächen verloren gehen und riesige Mengen an Kohlenstoff freigesetzt werden, so dass sich die Klimaerwärmung weiter beschleunigt und Extremwetterlagen zunehmen. Hitzewellen führen zu Dürren und weiteren Zerstörungen durch Waldbrände. Der „globale Irrsinn“, wie ihn auch H. H. Karg in seinem Gedicht beschreibt, zeigt sich nicht nur in der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur, sondern ebenfalls in ihrem Missbrauch durch Zumüllung und Ablagerung aller Arten von Unrat und der Relikte der Wohlstandsgesellschaft. Weltweit beobachten wir die Folgen der Umweltbelastung bzw. -verschmutzung und des Klimawandels, die erhebliche Konsequenzen nicht nur für die Gesundheit der Menschen und für das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, sondern auch für die soziale Stabilität in sich bergen. Letzteres könnte in einen erbarmungslosen Kampf ums Überleben münden. Obwohl die erste internationale Konferenz für Naturschutz schon 1913 in Bern stattfand, hat sich der Zustand der Umwelt global immer weiter verschlechtert. Der Mensch ist dabei seine Lebensgrundlagen zu „ermorden“; der Ökocid ist nicht mehr bloß ein Schreckbild überdrehter Phantasten.

Die Ursachen für die sich abzeichnenden Katastrophen in Natur und Klima mögen vielfältig sein. Ihre tiefsten Gründe liegen in der menschlichen Natur, in der Ambivalenz von grenzenlosem Streben und selbstsüchtiger Bereicherung. Diese Ambivalenz hatte bereits der antike Dramatiker Sophokles in der „Antigone“ (442 v. Chr.) herausgestellt: Im ersten Standlied des Chores heißt es: „Vielgestaltig ist das Ungeheure, und nichts ist ungeheurer als der Mensch“. Die Größe des Menschen wird an Hand seiner instrumentellen Vernunft demonstriert. Durch das Zweck-Mittel-Denken unterwirft er sich die Erde, tritt er die Herrschaft über alle Geschöpfe an und erwirbt die Kunst des Denkens, der Sprache, der politischen Gestaltung. Als seine Grenze werden seine Endlichkeit bzw. Vergänglichkeit verstanden. Aber seine Gefährdung besteht in seiner Hybris, im Verkennen der irdisch-menschlichen Grenzen: „Als klug anwendbar besitzt er die Kunst der Erfindung über alles Erwarten, und er schreitet bald zum Schlechten, bald zum Guten.“ (Vers. 364ff). Zweifellos zeigen sich im Willen zur Beherrschung der Natur der staunenerregende Erfindungsreichtum des Menschen, den natürliche Grenzen kaum aufzuhalten vermögen, aber auch sein furchtbares und gefährliches Wesen, das auch angesichts erkennbarer Zerstörung und Verluste den einmal eingeschlagenen Weg beibehält.

Die Herrschaft der Menschen über die Erde scheint nach biblischem Verständnis durch einen göttlichen Auftrag legitimiert: „Gott segnete sie (Mann und Frau) und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehret euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen“ (Gen 1,28). Nur als Scheinproblem stellt sich hier die Frage, ob in dem Herrschaftsauftrag gleichzeitig eine Rücknahme der Schöpfung begründet liegt. Dann müsste das Genesis-Zitat als Auftrag zum Ökocid, zur Vernichtung der eigenen Lebensgrundlagen interpretiert werden. Die naive Vorstellung einer total unterjochten und missbrauchten Schöpfung, die der Willkür des Menschen ausgeliefert ist, entspricht aber nicht einem guten Willen und ist nicht abzuleiten aus einem Gottesverständnis, das von einem liebenden Vater und verantwortungsvollen Hirten gegenüber dem ihm anvertrauten Werk ausgeht. Herrschaft bzw. Macht haben im Kern eine bewahrende und lebensfördernde Intention. Legitime Herrschaft rekurriert auf die Vorstellung von der Verantwortung des Herrschers gegenüber der ihm übergebenen und anvertrauten Ordnung. Legitimität bildet somit die Rechtfertigungsgrundlage der Herrschaft, gewährt legitime Kompetenzen und setzt dem legitimen Geltungsbereich zugleich innere Schranken, die in der Lebensfähigkeit und im Wohlergehen der Beherrschten bestehen.

Die wiederholt gestellte Frage nach der Schuld und nach dem Urheber der ökologischen Katastrophe erweist sich als irrelevant, da die Umweltzerstörung eine Geschichte der Entwicklung der Menschheit in die Neuzeit ist, spätestens mit dem Sieg der modernen Naturwissenschaften im 16. Jahrhundert einsetzend und sich im 18. und 19. Jahrhundert zur industriellen Revolution beschleunigend. Der Mensch wurde durch Rationalisierung und moderne Naturwissenschaft in die Lage versetzt, das dominium terrae, die Herrschaft über die Natur anzutreten. Diese Herrschaft hat wiederum einen ambivalenten Charakter angenommen, da sie zum einen zur Befreiung aus natürlichen Abhängigkeiten führte -man denke an die Möglichkeiten der modernen Medizin -, zum anderen aber in ihrer Entartung als Unterdrückung und als Gewalt die Abhängigkeiten von nicht-natürlichen Bedingungen (Technik) einschloss. In diesem Prozess einer sich ständig erweiternden und verselbständigenden Machtkontrolle über die Natur hat der Mensch aus dem Auge verloren, dass er selbst Teil der Schöpfung und damit Teil der Natur ist. Das verlangt ein Naturverständnis, das den Menschen nicht in falscher Weise als selbstherrlichen Akteur in den Mittelpunkt stellt, der die Natur bloß als Objekt betrachtet, menschliche Fähigkeiten zur Erhaltung natürlichen Lebens überschätzt und den Eigenwert der Natur nicht wahrnimmt. Der Mensch stammt aus der Natur und bleibt bis zu seinem Ende den natürlichen Grundlagen verhaftet. Immer wenn es um das Verhältnis des Menschen zur Natur geht, geht es auch um das Verhältnis des Menschen zu sich selbst. Der Pflicht zur Selbsterhaltung entspricht die Pflicht zur treuhänderischen Bewahrung der Natur.

Die Gefahr der vollkommenen Rücknahme der Schöpfung und deren Mutation in ein lebloses Ding ist beträchtlich. Zugleich muss man als Dilemma die Widersprüchlichkeit der notwendigen Anstrengungen konstatieren: Wiederherstellung und Bewahrung der Natur als Lebensgrundlage, zugleich Anerkennung der Wissenschaften und der Technik als Teil der menschlichen Lebenswelt. Im Sinne einer romantischen Naturmetaphysik, d.h. eines naturverbundenen Lebens, ist es nicht mehr möglich, sich nahtlos in die Natur einzufügen. Unsere Zukunft wird bestimmt von der Ambivalenz von Hoffnung auf die menschliche Vernunft, auch die instrumentelle Vernunft, und auf Rettung vor der ökologischen Katastrophe und der Erfahrung von unwiederbringlichen Verlusten durch die vom Menschen freigesetzten Kräften. Die Menschheit steht am Scheideweg: Schafft sie es, den Gedanken des Fortschritts in humane Dimensionen einzubetten? Oder werden wirtschaftlicher Egoismus, Wachstumswahn, der Supremat des technologischen über das humane Denken die notwendige Selbstbeschränkung unmöglich machen. Die Verhinderung der ökologischen Katastrophe ist eine Menschheitsaufgabe wie die Herstellung und Bewahrung des Friedens, wie die Verringerung des sozialen Elends, wie die Bekämpfung einer Pandemie. Die Menschheit wird dieser Aufgabe erst gerecht werden, wenn jeder einzelne seinen Teil dazu beiträgt und die Verantwortung gegenüber Schöpfung über Eigeninteressen stellt.

(Hans-Jürgen Blanke)

1Sophokles: Antigone, übers. und hrsg. von Norbert Zink, Stuttgart 1981, Vers 332f.

Der, den ich liebe,

Hat mir gesagt,

Daß er mich braucht.

Darum

Gebe ich auf mich acht

Sehe auf meinen Weg

Und fürchte von jedem

Regentropfen

Daß er mich erschlagen

könnte.

(Bertolt Brecht, Gedicht 1937 – Brief an Ruth Berlau)